Einsätze an der Mauer

13. August 1961

Eine Person wird mit einem Sprungtuch aufgefangen

Nach Errichtung der Mauer im August 1961 versuchten viele Menschen die Grenzanlagen zu überwinden um in den Westteil der Stadt zu kommen. Die Fluchtversuche endeten oft tödlich. Für die Feuerwehr in West-Berlin war die Situation an der Mauer oft mit besonderen Herausforderungen verbunden.

Ein besonderer Einsatzschwerpunkt lag in der Bernauer Straße in Wedding und in der Harzer Straße in Neukölln, wo die Häuserfronten die Grenzmauer bildeten. Der vor den Häusern verlaufende Gehweg gehörte hier schon zum Westteil, während die Häuser selbst im zum Ostteil Berlins standen.

Bewohner und Besucher dieser Häuser versuchten an eben diesen Stellen in den Westteil der Stadt zu fliehen. Da von den Grenzorganen nach den ersten erfolgreichen Fluchtversuchen bald die unteren Gebäudefenster zugemauert wurden, ließen sich Flüchtende später aus teilweise schwindelerregenden Höhen aus Fenstern oder von Häuserdächern in die Tiefe fallen.

Immer wieder rückte die Feuerwehr aus, um mit Sprungtüchern die Menschen aufzufangen. Dabei entstand die Idee, aufgeblasene Luftpolster unter die Sprungtücher zu legen, um so Rettungen aus größeren Höhen zu ermöglichen. Damit wurde im Prinzip das heute allgemein übliche Sprungpolster erfunden. Nie zuvor und nie wieder danach konnte eine Feuerwehr so intensive Erfahrungen im Sprungtucheinsatz erwerben, wie in dieser Zeit.

Anfangs fuhren die Einsatzfahrzeuge noch mit eingeschaltetem Sondersignal zu den Einsatzstellen. Bald erkannte man jedoch, dass dadurch die Grenzposten aufmerksam wurden. Diese versuchten dann, mit Schusswaffen und Tränengasgranaten die Menschen an der Flucht zu hindern; in einigen Fällen erwiderte die West-Polizei das Feuer. Die Haltemannschaft des Sprungtuches stand dann inmitten eines Feuergefechts. So ging man dazu über, sich möglichst unauffällig an die Einsatzstellen zu begeben. Oft wurden auch gleichzeitig an anderer Stelle Scheineinsätze inszeniert, um die Grenzorgane abzulenken. Über die Ereignisse gibt es im Archiv der Feuerwehr einen Bericht aus dem Oktober 1961:
„[…] als wir an der Bernauer Straße eintrafen, begann gerade das Feuergefecht. Wir sprangen sofort aus den Fahrzeugen und rannten mit dem Sprungtuch und dem Luftpolster zur Einsatzstelle. In der Dämmerung sah ich oben auf dem Dach etliche Menschen und zwei am Schneefang, die dauernd ihren Standort wechselten […]. Um aus dem Schusswinkel zu kommen, stellte ich mich mitten auf die Fahrbahn. Durch das Geschrei der Bevölkerung und das Knallen der Schüsse wurden meine Kommandos von den Kollegen am Sprungtuch nicht gehört, und ich musste näher an die Bordkante herangehen. Nun konnte ich aber das Geschehen auf dem Dach nicht mehr beobachten und war auf Zurufe […] angewiesen.“
Erstaunlicherweise gab es unter den Feuerwehrmännern keine Schussverletzten. Wie viele Menschen bei diesen Einsätzen die Flucht in die Freiheit glückte, ist nicht dokumentiert. Die Einsätze endeten erst, als die Häuser auf der Ostseite abgerissen und durch die üblichen Grenzsperranlagen ersetzt wurden.

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