Oberbranddirektor (West) Ludwig Wissell (1949-1957)

Portrait

Ludwig Wissell

Erster Chef der West-Berliner Feuerwehr

Noch als Zugführer auf der Wache Stettin (Linienstraße) macht Ludwig Wissell bereits von sich Reden. Dem Evakuierungsbefehl von Goldbach widersetzt er sich und hält mit einer KS 25 und einer Drehleiter in Mitte die Stellung. Erstaunlicherweise überstehen Mannschaft und Geräte die Eroberung und anschließende Besetzung Berlins durch die Russen unbeschadet. So ist Wissells Halbzug nach Kriegsende der nahezu letzte Rest einer intakten Feuerwehr in der geschundenen Millionenstadt. Mit den Kommunisten hat Wissell jedoch im Gegensatz zu Feierabend wenig am Hut. Nach dem Kriege übernimmt Wissell als Brandinspektor den Vorsitz des Betriebsrates, wo er eine westlich demokratische Anschauung vertritt. Zum Oberbranddirektor der West-Berliner Feuerwehr wird Wissell im November 1949 ernannt.

Wiederaufbau in den Westsektoren

Unter seiner Führung wird der Wiederaufbau der Feuerwehr in der Inselstadt vorangetrieben. Wissells Schwerpunkt liegt dabei vor Allem im Aufbau des Funkbetriebes. Eine größere Herausforderung ist die Gewinnung neuen Personals. Männer sind rar nach Krieg und Kriegsgefangenschaft, die Feuerwehr ist zudem ein unattraktiver Arbeitgeber. Immerhin wird im Westen jetzt wieder verbeamtet. Insgesamt geht es nach Währungsreform und Ende der Blockade im Westteil Berlins nun langsam bergauf. Neue Fahrzeuge werden angeschafft, Wachneubauten fertiggestellt und auch die persönliche Ausrüstung kontinuierlich verbessert. Neben dem Funkverkehr können auch andere technische Innovationen umgesetzt werden: Die ersten noch neuartigen Tanklöschfahrzeuge werden beschafft und finden ihren festen Platz im Löschzug, außerdem kauft Wissell verstärkt Sanitätskraftwagen, denn die Feuerwehr wird immer öfter zu Hilfeleistungen gerufen, die das städtische Rettungsamt nicht abwickeln kann. In Wissells Ära fällt auch die Erfindung des Blaulichts, das nun bei allen Einsatzfahrzeugen eingeführt wird. In einem Punkt ist Wissell aus heutiger Sicht eher rückständig: Für Freiwillige Feuerwehren sieht er in einer modernen Großstadt keinen Platz. So lässt er insgesamt neun FF auflösen, die teilweise durch Berufsfeuerwachen ersetzt werden. Als Wissell im Juni 1957 altersbedingt ausscheidet, ist die West-Berliner konsolidiert. Sie hat sich eingerichtet in ihrer Insellage. In den Ost-Sektor fährt die West-Feuerwehr (und umgekehrt) schon lange nicht mehr. Offizielle Kontakte „nach drüben“ gibt es nicht, ja man weiß im Westen nicht einmal, wer auf der Ostseite überhaupt Chef ist.