Generalmajor Gustav Wagner (1933 bis 1943)

Portrait

Gustav Wagner

Feuerwehr in „nationalsozialistischem Geiste“

Mit Wagner wird erneut ein langjähriger und erfahrener Angehöriger der Berliner Feuerwehr zu ihrem Leiter. Wagner hat sich in den zurückliegenden Jahren vor allem im Vorbeugenden Brandschutz über Berlin hinaus einen Namen gemacht. Dafür, dass die Entscheidung auf ihn fällt, dürfte aber vor allem seine Mitgliedschaft zur NSDAP entscheidend gewesen sein. Sein Sohn ist sogar Mitglied der SA. Wagner garantiert die Führung der Feuerwehr in „nationalsozialistischem Geiste“. Zu seinen erklärten Zielen gehört die Vorbereitung der Feuerwehr auf Luftangriffe, die er, sechs Jahre vor Kriegsausbruch, offenbar erwartet. Hierzu passt auch, dass er die Ertüchtigung der Freiwilligen Feuerwehren zu seinem Ziel erklärt. Ferner ist ihm eine schadensarme Löschtaktik ein erklärtes Bedürfnis. Vor allem treibt Wagner die „Militarisierung“ der Feuerwehr voran. Die Feuerwehr erhält die Stahlhelme der Wehrmacht in abgewandelter Form, Uniformen mit militärischem Schnitt und muss wieder exerzieren. Ab 1937 darf Wagner sich „Kommandeur“ nennen. Die Kriegsvorbereitungen sind in vollem Gange, beziehen sich jedoch zunächst ausschließlich auf den Luftschutz. So wird u.a. ein „Sicherheits- und Hilfsdienst (SHD)“ für die Brandbekämpfung, den Sanitätsdienst, Bergung und Entgiftung im Kriegsfall, aufgestellt. Im Jahre 1935 wird die Feuerwehr der Polizei unterstellt und nennt sich nun „Feuerlöschpolizei“. Belege dafür, dass sich Wagner gegen diese Tendenz gestellt hat, gibt es nicht.

Modernisierung des Fuhrparks

Ein wichtiges Anliegen ist Wagner auch die Erneuerung der Fahrzeugtechnik. Hier spielen ihm spektakuläre Einsätze in die Hand. So z.B. der Großbrand im Kulissenhaus des Staatstheaters am Vorabend der Olympischen Spiele. Der Einsatz zieht viele Schaulustige, darunter Besucher aus der ganzen Welt an. Man ist verwundert über die rückschrittliche Löschtechnik der Berliner Feuerwehr, die noch mit Dampfspritzen löscht. Nach dieser „Blamage“ beschließt der Magistrat, Neufahrzeuge im Wert von zwei Mio. Reichsmark für die Feuerwehr zu beschaffen. Die neuen Kraftspritzen haben geschlossene Aufbauten und Feuerlöschkreiselpumpen, die von den Dieselmotoren angetrieben werden. Daneben hat das Innenministerium des Reiches über 850 Einsatzfahrzeuge und –anhänger für den SHD bereitgestellt. Für die Betreuung dieser Fahrzeuge muss Wagner zusätzlich 40 Feuerwehrmänner beschäftigen.

Auch wenn Wagner sicherlich weit mehr als ein bloßer Mitläufer der Nationalsozialisten war, schien er sich doch einen Rest an Feuerwehr-Berufsehre bewahrt zu haben. Als in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in Berlin 20 Synagogen und zahlreiche andere jüdische Einrichtungen brennen, schränkt er das Ausrücken und Löschen dieser Brände nicht ein. Zwar werden die Einsatzkräfte mancherorts am Löschen gehindert oder beschränken sich lediglich darauf, Nachbargebäude zu schützen. Eine Direktive, die das Löschen jüdischer Einrichtungen untersagt hätte, gab es aber nicht. Ein viertel Jahr später legt der „Kommandeur“ intern sogar ausdrücklich fest, dass „für die Feuerlöschpolizei Aktionen hinsichtlich der Judenfrage nicht in Betracht“ kämen und sie weiter „uneingeschränkt“ ihren Aufgaben nachzukommen habe.

Die „Verpolizeilichung“ schreitet voran

Mit der Umformung der Feuerlöschpolizei zur Feuerschutzpolizei im Jahre 1939 ist eine weitere „Verpolizeilichung“ der Feuerwehr verbunden. Wagner erhält den Dienstgrad „Generalmajor“. Sein Gestaltungsspielraum schränkt sich mit dieser Maßnahme jedoch deutlich ein, denn die Feuerschutzpolizeien werden „reichseinheitlich“ gestaltet, d.h. die maßgeblichen Entscheidungen werden nun im Reichsinnenministerium getroffen. Selbst die Personalhoheit über jeden einzelnen Feuerwehrmann fällt an das Innenministerium. Spätestens mit Kriegsausbruch im September 1939 muss sich Wagner darauf beschränken, die Anordnungen „von oben“ umzusetzen und „Vollzug“ zu melden. Dies allerdings zunehmend unter erschwerten Bedingungen, denn Einberufungen von Feuerwehrleuten, Kraftstoff- und Materialmangel erschweren den Dienstbetrieb zunehmend. Wagner muss den SHD mit „Freiwilligen“ und Hitlerjungen, also schlecht Ausgebildeten und Ungeübten, organisieren. Mit Einsetzen der Luftangriffe auf Berlin ab August 1940 wird dies eine zunehmende Herausforderung. In den folgenden Jahren nehmen die Häufigkeit und die Intensität der alliierten Luftangriffe auf die Reichshauptstadt stetig zu. Die Folgebrände und Gebäudeeinstürze sind von Feuerschutzpolizei und SHD trotz vielfacher Improvisation und Umorganisation kaum noch zu bewältigen, zumal auch oft die Wasserversorgung durch die Bombentreffer unterbrochen wird.

Ende August 1942 wird auch für die Feuerschutzpolizei die Ausbildung als Infanterie angeordnet. Doch in Wagner regt sich Widerstand. Er zögert die Bekanntgabe bis zum März 1943 hinaus. Als im Sommer 1943 für die Feuerwehrleute auch das ständige Tragen von Handfeuerwaffen vorgeschrieben wird, scheint für Wagner das Maß voll zu sein. Nachdem Wagner mehrfach in Gesprächen äußert, dass er den Einsatz der Feuerwehr als Infanterie für nicht vertretbar hält, wird er zunächst beurlaubt und mit Ablauf des Jahres 1943 im Alter von 63 Jahren pensioniert. Als Berlin im Mai 1945 vor den Roten Armee kapituliert, weiß Wagner, dass er als ehemals ranghoher Offizier das Schlimmste zu befürchten hat. Er versteckt sich vor den Russen in einer Laubenkolonie, wird aber 1945 vom neuen Feuerwehrchef, Karl Feierabend, verraten und festgenommen. Er stirbt 1946 im sowjetischen Lager Sachsenhausen.