Oberbranddirektor Karl Feierabend (1945-1948, bis 1952 im Ostteil)

Portrait

Karl Feierabend

Wiederaufbau aus dem Nichts. Und Spaltung.

Schon bald nach der Einnahme Berlins versucht die russische Siegermacht, das öffentliche Leben in der völlig zerstörten Stadt wieder in den Gang zu bekommen. Hierzu besetzt sie die Führungsfunktionen der notwendigen Einrichtungen personell neu. Dabei sollen keinesfalls Parteigänger und Protegierte der NSDAP gleich wieder in Schlüsselfunktionen kommen. „Linientreue“ spielt daher eine größere Rolle als Fachkompetenz. Die Feuerwehr wird schon Ende Mai 1945 als städtischer Betrieb reaktiviert. Die Leitung wird Karl Feierabend übertragen. Feierabend war in den 1920er Jahren aktiver Gewerkschafter, zunächst im Verband Deutscher Berufsfeuerwehrmänner, später dann in der Reichsgewerkschaft Deutscher Kommunalbeamter. Von den Nationalsozialisten war er bereits 1933 wegen kommunistischer und gewerkschaftlicher Aktivitäten entlassen worden. Wo und wie Feierabend die NS-Zeit überstand, ist nicht bekannt. Nach dem Kriege ist er mit den neuen kommunistischen Machthabern gut vernetzt. Er bezeichnet sich selbst als „Kämpfer gegen den Faschismus“ und findet es dabei offenbar völlig legitim, sich in Neuvenedig das ehemalige Wochenendhaus einer NSDAP-Größe als eigenes Wochenendhaus zuweisen zu lassen, auch wenn die hierin untergebrachte Familie dazu umquartiert werden muss.

Brandschutz in der Trümmerstadt

Die Aufgabe, die Feierabend zu meistern hat, ist indes nahezu unlösbar. Im Mai 1945, der sog. „Stunde Null“ steht Feierabend als neuer Feuerwehrchef buchstäblich vor dem Nichts. Gerade einmal einhundert Mann melden sich noch zum Dienst. Von einst 38 Feuerwachen sind sechs komplett, der Rest teilzerstört und nicht wintertauglich. Die meisten Einsatzfahrzeuge sind entweder zerstört oder von den russischen Siegern beschlagnahmt. Letztlich ist dies auch nicht weiter relevant, denn Kraftstoff und Reifen sind ohnehin nicht zu bekommen. Das Fernmelde- und Hydrantennetz ist ebenfalls zusammengebrochen. Man muss Feierabend zugute halten, dass seine Voraussetzungen deutlich ungünstiger waren, als die von Scabell, knapp hundert Jahre vorher. Es ist erstaunlich, wie schnell sich die Feuerwehr in der total zerstörten Hauptstadt wieder entwickelt. Im September 45 sind schon 24 und am Ende des Jahres 28 Wachen im Betrieb. Jede Wache hat nun auch wieder mindestens ein halbwegs intaktes Kraftfahrzeug.

„Die Feuerwehr ist nazifrei!“

Auch der Personalbestand entwickelt sich schnell. Ab Oktober darf die Feuerwehr immerhin schon wieder tausend Einsatzkräfte beschäftigen. Auch der Fernmeldebetrieb kommt langsam wieder in Gang. Die rasanten Verbesserungen sind vor allem dem hohen Einsatz aller Berliner Feuerwehrleute geschuldet, die neben ihren Einsätzen Ruinen nach Brauchbarem durchstöbern und viele Bau- und Reparaturarbeiten in Eigenleistung erbringen und dabei zu wahren Improvisationskünstlern werden. Dieser Erfolg ist aber auch nicht denkbar ohne die Vertrauensstellung, die Feierabend bei den Offizieren der Roten Armee genießt. Dieses Vertrauen konnte er sich wohl vor allem deshalb erwerben, weil er jegliches Aufflackern nationalsozialistischen Gedankengutes in seiner Feuerwehr streng ahndet. Die Entnazifizierung der Feuerwehr treibt er entschieden voran und kann am 13. Januar 1946 ausrufen: „Die Feuerwehr ist nazifrei!“

Zwei Feuerwehren in einer Stadt

Noch komplizierter wird für Feierabend die Lage, als im Juli 1945 auch die West-Alliierten in Berlin einziehen und die Stadt in vier Sektoren aufgeteilt wird. Nun muss er sich mit vier Mächten arrangieren, was zunehmend schwierig wird, denn diese verfolgen jeweils unterschiedliche Interessen. Als zum Beispiel die durch Goldbachs Absetzbefehl verlagerten Fahrzeuge aus der britischen Zone in Norddeutschland zurück nach Berlin kommen, verlangen die Briten, dass diese Fahrzeuge auch nur im britischen Sektor Berlins stationiert werden. Im Jahre 1948 überschlagen sich dann die Ereignisse geradezu. Den Währungsreformen, zunächst in den West-, dann in den Ostsektoren folgt die Blockade West-Berlins durch die Sowjets. Als die Polizei im Juli 1948 de facto gespalten wird, befürchtet man ähnliches für die Feuerwehr. In den Westsektoren mehrt sich das Misstrauen gegen Feierabend. Als Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) steht er im Verdacht, die Feuerwehr in den Westsektoren zugunsten des Ostsektors „ausbluten“ zu lassen, also Feuerwehrtechnik und -material von den West-Sektoren in den Osten zu verschieben. Er wird vorübergehend von der französischen Militärpolizei verhaftet und im November 1948 vom Magistrat beurlaubt. Einen Monat später wird Feierabend zum Oberbranddirektor im Ost-Sektor Berlins ernannt. Nun gibt es zwei Feuerwehren in einer Stadt.

Im Ostteil Berlins bleibt Karl Feierabend jedoch nur bis 1952 Leiter der Feuerwehr. Er fällt offenbar in Ungnade, weil er sich gegen die Eingliederung der Feuerwehr in die Volkspolizei sträubt. Vermutlich erinnert ihn das zu sehr an die Feuerwehrzeiten des III. Reiches. Quellen berichten, dass er sein Amt an Ernst Ettrich abtreten und „zurück ins Glied“ treten muss. 1955 scheidet er aus dem Feuerwehrdienst aus. Feierabend verstirbt im Jahr 1962.